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Der Steuerpflichtige leistete von 2004 bis 2006 drei Einkaufsbeiträge an die Pensionskasse ­seiner Arbeitgeberin: im Dezember 2004 Fr. 20 000.–, im April 2005 und im September 2006 jeweils Fr. 30 000.–, d.h. insgesamt Fr. 80 000.–. Im Juli 2007 zahlte ihm die Kasse eine Kapitalleistung von Fr. 432 884.– aus. Das restliche Alterskapital von Fr. 83 636.– wird in Form einer monatlichen Rente von Fr. 460.– (d.h. Fr. 5520.– pro Jahr) ausgerichtet. Der Kapitalwert dieser Rente entspricht dem verbleibenden Alterskapital von Fr. 83 636.– und dieses wiederum den drei Einkaufsbeträgen zuzüglich Zins. Das Bundesgericht lässt die Einkäufe nicht zum Abzug zu und bestätigt damit das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau, wonach grundsätzlich jegliche Kapitalauszahlung in der Dreijahresfrist missbräuchlich ist und jede während der Sperrfrist erfolgte Einzahlung vom Einkommensabzug somit ausgeschlossen werden muss.

In seinem Entscheid verweist das Bundesgericht auf Art. 33 Abs. 1 lit. d DBG, Art. 9 Abs. 2 lit. d StHG und § 34 Abs. 1 Ziffer 6 StG TG, wonach die gemäss Gesetz, Statut oder Reglement geleisteten Einlagen, Prämien und Beiträge an die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung und an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge von den Einkünften abgezogen werden können (vgl. auch Art. 81 Abs. 2 BVG). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt den Abzug aber dann nicht zu, wenn eine Steuerumgehung vorliegt, insbesondere bei missbräuchlich steuerminimierenden, zeitlich nahen Einkäufen und Kapitalbezügen in/von Vorsorgeeinrichtungen, d.h. im Fall von gezielt vorübergehenden und steuerlich motivierten Geldverschiebungen in die 2. Säule, mit denen nicht die Schliessung von Beitragslücken angestrebt, sondern die Pensionskasse als steuerbegünstigtes Kontokorrent zweckentfremdet wird. Das Ziel eines Einkaufs von Beitragsjahren besteht im Aufbau bzw. der Verbesserung der beruflichen Vorsorge. Dieses Ziel wird namentlich dann offensichtlich verfehlt, wenn die gleichen Mittel kurze Zeit später – bei kaum verbessertem Versicherungsschutz – der Vorsorgeeinrichtung wieder entnommen werden (vgl. zum Ganzen BGE 131 II 627 E. 4.2 u. 5.2 S. 633 ff.; 593 E. 4 S. 603 ff.).

Im Unterschied zu den bisher von der Praxis zu beurteilenden Fällen gaben hier die kurz vor dem Rentenalter eingezahlten Beträge zwar nicht Anlass zu einer kurz danach erfolgten Kapitalauszahlung, sondern zu einer längerfristigen Bindung in Form einer sehr bescheidenen Rente (Fr. 460.– pro Monat). Dieser Unterschied zum klassischen Missbrauchsmodell ist aber nicht entscheidend, sondern die folgende Übereinstimmung: Auch hier wurde relativ kurz nach diesen Einzahlungen ein grösserer Betrag (Fr. 432 884.–) wieder – und vollumfänglich als Kapital – ausbezahlt, woraus eine gezielt vor­übergehende und steuerlich motivierte Geldverschiebung in die 2. Säule anzunehmen ist. Damit wurde nicht die Schliessung einer Beitragslücke angestrebt, sondern die Pensions­kasse als steuerbegünstigtes Kontokorrent zweckentfremdet. Die zusätzlichen Einzahlungen verbesserten die Vorsorgesituation kaum. Auch hätte der Betrag von Fr. 432 884.– die Ausrichtung einer deutlich höheren und angemessenen Rente ermöglicht, worauf aber bewusst verzichtet wurde. Bei einem gesamten Vorsorgevolumen von mehr als Fr. 500 000.– und einem (per Ende 2006 deklarierten) steuer­baren Vermögen von mehr als 5 Mio. Franken muss eine solche Gestaltung gesamthaft als ungewöhnlich und zumindest wenig sachgerecht beurteilt werden. Sie lässt ohne Weiteres auf eine Absicht nicht der zulässigen Vorsorgeoptimierung, sondern der missbräuchlichen Steuer­minimierung schliessen. Wenn die gewählte Gestaltung zugelassen worden wäre, hätte sie auch tatsächlich zu einer ins Gewicht fallenden Steuerersparnis geführt, nämlich bei der Staats- und Bundessteuer zu einem gesamthaft um beinahe Fr. 15 000.– geringeren Steuerbetrag.

Die Beschwerdeführer berufen sich insbesondere auf den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Art. 79b Abs. 3 BVG, welcher in seinem ersten Satz wie folgt lautet: «Wurden Einkäufe getätigt, so dürfen die daraus resultierenden Leistungen innerhalb der nächsten drei Jahre nicht in Kapitalform aus der Vorsorge zurückgezogen werden.» Das Gericht hält fest, dass diese Bestimmung zwar eine primär vorsorgerechtliche Norm ist, aber klar auf steuerrechtlichen Motiven beruht. Dem Wortlaut nach regelt sie wohl nur das Problem der Zulässigkeit einer Kapitalauszahlung innert drei Jahren seit der Einzahlung und äussert sich scheinbar nicht (direkt) zur Frage, ob diese Einzahlung vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden darf. Unter Verweis auf die parlamentarischen Beratungen kommt das Gericht zum Schluss, dass Art. 79b Abs. 3 BVG die bundesgericht­liche Rechtsprechung zur Verweigerung der Abzugsberechtigung wegen Steuerumgehung übernimmt und konkretisiert. Wenn diese Vorschrift die getätigten Einkäufe für die «daraus resultierenden Leistungen» einer dreijährigen Kapitalrückzugssperre unterwirft, so ist das im hier massgeblichen Zusammenhang nicht – wie sich aus dem Wortlaut zu ergeben scheint – als eine notwendigerweise direkte Verknüpfung zwischen dem Einkauf und der Leistung zu verstehen. Einer solchen Verknüpfung muss ohnehin entgegengehalten werden, dass die in die Vorsorgeeinrichtung einbezahlten Beträge nicht ausgesondert und die Leistungen aus Vorsorgeeinrichtungen nicht aus bestimmten Mitteln, sondern aus dem Vorsorgekapital der versicherten Person insgesamt finanziert werden.

Diesen Gesichtspunkten wird die Praxis der Thurgauer Steuerbehörden gerecht, welche Art. 79b Abs. 3 BVG so auslegen, dass jegliche Kapitalauszahlung in der Dreijahresfrist missbräuchlich ist und jede während der Sperrfrist erfolgte Einzahlung vom Einkommensabzug somit ausgeschlossen werden muss.

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Mit diesem Entscheid beendet das Bundesgericht bisherige Kontroversen, indem es Art. 79b Abs. 3 BVG konkretisiert und sich damit hinter die Kantone stellt, welche bisher schon eine restriktivere Praxis befolgt hatten (v.a. Ostschweiz und AG). Damit ist klar, dass in jedem Fall zwischen Einkauf und Kapitalbezug eine Frist von mindestens drei Jahren liegen muss und auch Einzahlungen während der Sperrfrist steuerlich nicht absetzbar sind. Neu an der Begründung ist insbesondere, dass ein besonderer Steuerumgehungstatbestand nicht vorliegen muss.

Es ist davon auszugehen, dass die liberaleren Kantone sich dieser Rechtsprechung anpassen werden (müssen). Das Bundesgericht stellt sich mit seinem Urteil in Widerspruch zum Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), welches in der Mitteilung Nr. 88 vom 28. November 2005 (bestätigt in Mitteilung Nr. 110 vom 15. Januar 2009) eine grosszügigere Auffassung vertreten hatte. Auch wenn das BSV «nur» die vorsorgerechtliche Seite geregelt hat und das Bundesgericht sich auf die steuerrechtliche Tragweite beruft, erscheint eine solche Aufspaltung einer gesetzlichen Bestimmung als problematisch. Die bisherige Regelung, wonach vorsorgerechtlich zulässige Abzüge, Einkäufe und Auszahlungen auch steuerrechtlich anerkannt werden, sollte weiterhin uneingeschränkt Geltung haben.

Art. 79b Abs. 3 BVG; Art. 33 Abs. 1 lit. d DBG; Art. 9 Abs. 2 lit. d StHG; § 34 Abs. 1 Ziff. 6 StG TG

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(BGer., 12.03.10 {2C_659/2009}, Martin Byland, lic. iur. Rechtsanwalt, TBO Treuhand AG, Zürich)

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